Montag, 12. Juni 2017

Unerhörte Musik | Newsletter | 2017 | Nr. 12

NEWSLETTER 2017 | Nr. 12
13. und 20. Juni

"Die Tonkünstler scheinen zu unsern Zeiten einzig und allein darauf bedacht zu sein, daß sie die natürliche Anmut der Musik ganz aufheben mögen, welche ihnen seit einigen Jahren zuwider geworden. Sie wenden vielmehr alle Mühe an, die Musik rauh, widrig  und rauschend zu machen. Je schwerer die Komposition ist, desto größer ist der Ruhm desjenigen, der dieselbe verfertiget hat. Es ist kein Zweifel, daß die Kunst ganz untergehen wird, wenn man also fortfährt"
(Ludvig Holberg (1743))
...
Bevor wir uns bis zum 12. September in die Sommerpause verabschieden, freuen wir uns auf zwei Highlights an den kommenden beiden Dienstagen:
Hamburgs Avantgarde-Queen“ , die Stimmperformerin und Multivocalistin  Frauke Aulbert präsentiert – nach Auftritten mit dem spektakulären Decoder-Ensemble 2014 – am kommenden Dienstag, 13. Juni nun ihr aktuelles Soloprogramm BEAT BOX in der Unerhörten Musik: „Beatboxen, das „5. Element des HipHop“, trifft im Projekt der Stimmkünstlerin Frauke Aulbert auf Neue Musik. Hier kommen musikalisch und soziokulturell zwei Welten zusammen, die beide am Rande der Gesellschaft fanatisch ihre Kunst schaffen und trotzdem unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf den drei performativen Ebenen Vokalartistik, Video/Lichtdesign und Elektronik wird die rhythmische Sprache des Beatboxing in neo-avantgardistische Klangkunst übersetzt.
Auf dem Programm stehen Werke von Ole Hübner, Kurt Schwitters, Erin Gee, Ondřej Adámek/Frauke Aulbert, Georges Aperghis und Alexander Schubert.
Unterstützt wird Frauke Aulbert durch Alexander Hofmann, Elektronik und Klangregie sowie Jörg Bittner, Lichtdesign.


Chico Mello 60 | Rainer Rubbert 60 | Witold Szalonek 90
Im März 2017 wäre Witold Szalonek 90 Jahre, Chico Mello und Rainer Rubbert werden im Juni 60 Jahre alt.

Grund genug, den Meister und seine Schüler zu ehren.
Am Dienstag, 20. Juni wird die Crème der Berliner Neue-Musik-Interpreten  Werke der drei Komponisten zur Aufführung bringen:
Matthias Badczong, Klarinette
Florian Juncker, Posaune
Sabrina Ma, Schlagzeug
Ulrike Brand, Violoncello
Martin Schneuing, Klavier
 Inhalt
 Dienstag, 13. Juni | BEAT BOX
 Dienstag, 20. Juni | Mello 60 | Rubbert 60 | Szalonek 90
Dienstag, 13. Juni 2017 | 20:30 Uhr | Frauke Aulbert  BEAT BOX

Frauke Aulbert, Stimme, Performance, Konzept
Alexander Hofmann, Elektronik und Klangregie
Jörg Bittner, Lichtdesign

BEAT BOX
Ole Hübner
Mehrfachbelichtete Melodramen (2017)
für Stimme, Tape, Live-Elektronik und Video

In »Mehrfachbelichtete Melodramen« findet sich das sich – stimmlich, geräuschhaft, perkussiv – äußernde Subjekt in einer imaginativen Kulisse aus Kommunikation und Alltagsklang wieder. Imitation, Ergänzung, Manipulation und nicht zuletzt performative Virtuosität sind die Mittel, mit denen es die Zuhörenden einlädt, sich die Erinnerung an individuell erlebte Szenen anzueignen und sie mit ihren eigenen Erfahrungen und Vorstellungen interpretatorisch parallelzuführen, mehrfachzubelichten.
Ole Hübner, 1993 geboren, studierte Komposition bei Benjamin Lang und Joachim Heintz in Hannover sowie bei Johannes Schöllhorn und Michael Beil in Köln. Seit 2015 studiert er im Masterstudiengang am Institut für angewandte Theaterwissenschaft in Gießen. Er arbeitete unter anderem mit dem Theater Aachen, der Biennale Venedig, der Deutschen Oper Berlin, der Münchner Biennale, mit mam.manufaktur für aktuelle musik, dem Fukio Ensemble, Das Neue Ensemble, den Düsseldorfer Performance-Kollektiven BRXT und Supergroup, dem Ensemble Garage, dem Trio Catch, dem Ensemble Adapter. Ole Hübner war von 2011 bis 2013 Stipendiat des Landes Nordrhein-Westfalen Stücke von ihm wurden bereits in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Polen, Italien, Dänemark und Japan aufgeführt.

Kurt Schwitters
Ursonate (1923-33) Auszug, „MC-Version“
Der Klassiker des dadaistischen Lautgedichts, die Ursonate von Kurt Schwitters, wird von Frauke Aulbert an passenden Stellen in eine perkussive, beatbox-artige Version übertragen. Zusammen mit dem Gestus eineR Vortragenden ergibt sich eine mal rhythmische, mal exklamierende Performance, ähnlich eines MC’s – master/mistress of ceremony.

Kurt Schwitters, geboren am 20. Juni 1887 in Hannover und gestorben am 8. Januar 1948 in Kendal, Cumbria, England, war ein deutscher Dichter, Künstler, Grafiker, Maler und Raumgestalter. 1937 emigrierte er zunächst nach Norwegen, 1940 dann nach England. Seine Werke sind geprägt von Dadaismus, Konstruktivismus und Surrealismus, wobei vor allem eine Nähe zum Dadaistischen offensichtlich wird. Schwitters gilt außerdem als wichtiger Wegbereiter der Konkreten Poesie. Sein literarischer Erfolg lässt sich vor allem auf das Gedicht An Anna Blume zurückführen, dem dann aber noch zahlreiche weitere folgen sollten. Darüber hinaus entwickelte Schwitters eine Art Technik (MERZ), die als dadaistisches Gesamtweltbild zu verstehen ist und vornehmlich darauf fußt, aus Zeitungsausschnitten, Reklame und Abfällen Collagen zu kreieren.
Erin Gee
Mouthpiece 30 (2017)
Vokalklänge hört man immer mit der Erwartung eines linguistischen, emotionalen und kulturellen Kontextes. Wenn die Laute diesen Schubladen nur am Rande bzw. eben nicht völlig entsprechen, entwickelt sich eine Reibung zwischen dem Erwarten eines Bedeutungsgehalts und den Klang an sich. Schon sehr kleine Veränderungen im Vokaltrakt vermitteln uns eine große Menge an “menschlichen” Informationen. Aber was ist Grenze, bei welcher ein Vokalklang sich vom “reinen Klang” zum “persönlichen Klang” verschiebt? (Erin Gee)
Die Komponistin und Vokalistin Erin Gee (*1974, Kalifornien) erhielt ihren Master in Klavier und Komposition an der Universität von Iowa unter Réne Lacuona, Lawrence Fritts und Dale Roberts. In Graz studierte sie bei Beat Furrer.  Sie erhielt zahlreiche Preise und Aufträge, u.a. von Ensembles und Festivals wie dem Klangforum Wien, den Bludenzer Tagen der zeitgemäßen Musik, ICE Ensemble, Arditti-Quartett, dem Duo Contour und dem Ensemble Piktogramm, und war Artist-in-Residence u.a. an der Akademie Schloss Solitude, an der Amerikanischen Akademie Rom, und beim Guggenheim Fellowship New York. Diverse Auftritte führten sie u.a. zum MATA Festival (New York), der R.A.T. Konferenz (Novi Sad) und zum musikprotokoll. Ihr Album Mouthpieces, auf dem sie vor allem mit dem unkonventionellen Einsatz der Stimme arbeitet, erschien 2014.

Ondřej Adámek/Frauke Aulbert (Remix)
Conséquences particulièrement blanches ou noires (2016, excerpts)
für Airmachine.
Neufassung für Video und Stimme (2017)
Die Airmachine ist ein Instrument, das aus zwei Staubsaugern und aus einem System von Ventilen, welche die Luftausgänge automatisch öffnen und schließen, besteht. Hiermit verbunden sind alle möglichen Windinstrumente, Spielzeuginstrumente oder andere aufblasbare Dinge (wie Ballons, Pfeifen, Flageolett-Röhren etc.). Die Stimme als ein durch Luft gesteuertes Instrument ist der Airmachine sehr ähnlich. Anders als bei der Airmachine sind die Präparationen und Einstellungen aber nicht sichtbar, sondern im Vokaltrakt verborgen. Im Remix lehnt sich die Stimme mit Klängen aus Konnokol, Atem, Obertongesang etc. eng an die Laute der Airmachine an, die wiederum die verborgene Arbeit der Stimme quasi visualisiert.

Ondřej Adámek (*1979, Prag) spricht eine musikalische Sprache, die sich die musikalischen Elemente entfernter Kulturen einverleibt, und läßt daraus ungewöhnliche musikalische Erzählungen entstehen. Die direkte Energie und die fein ausgeformten musikalische Ausdrucksmomente korrelieren dabei mit der kunstvollen Komposition von Klangfarben. Adámek studierte Komposition an der Musikakademie in Prag und am Konservatorium in Paris. Er komponiert Orchester-, Kammer-, Vokal- und elektroakustische Musik und arbeitet mit Choreographen des zeitgenössischen Tanzes zusammen. Er erhielt zahlreiche Kompositionsaufträge von Institutionen wie Witten, Agora Festival (IRCAM, Paris), Klangforum Wien, Orchestre National d’Île de France, sowie ein UNESCO-Stipendium. 2010 kam er als Gast des DAAD nach Berlin, wo er seitdem lebt. In 2014-2015 war Adámek Stipendiat der Villa Medici in Rom.
Georges Aperghis
Récitation pour voix seule Nr 13: Kat Ga (1977-78)
Version mit Ausführung der ursprünglich angegeben Vortragsart
Die Spielanweisung zur Récitation Nr. 13 von Georges Aperghis: „Imiter la couleur sonore des instruments de percussion indiqués – Imitiere den Klang der angegebenen Perkussionsinstrumente.“ wird in der Version von Frauke Aulbert bis zur Kenntlichkeit ausgeführt.
Georges Aperghis wurde 1945 in Athen als Sohn einer Künstlerfamilie geboren. Er studierte zunächst autodidaktisch Musik und zog dann mit 17 Jahren nach Paris, um seine Studien zu vertiefen. Dort entdeckte er das Theater, den Serialismus, die musique concrète von Pierre Schaeffer und Pierre Henry sowie das Werk von Iannis Xenakis.  1976 gründete er zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Édith Scob, das Atelier Théâtre et Musique (ATEM), deren oft mit absurden und surrealen Elementen arbeitende Aufführungen vom gesellschaftlichen Alltag inspiriert sind. Insgesamt umfasst sein Œuvre mehr als 100 Werke, der Schwerpunkt seines Schaffens bilden szenische Werke. Georges Aperghis wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. wurde er 2016 mit dem mit 400.000 € dotierten BBVA Foundation Frontiers of Knowledge Award ausgezeichnet.
Alexander Schubert
Your Fox’s A Dirty Gold (2011)
für Stimme, E-Gitarre und Live-Elektronik
Das Stück ist eine interaktive Performance für eine Sängerin mit Bewegungssensoren, E-Gitarre, Live-Elektronik, Video.  „Fox“ ist, was man als einen modernen Popsong beschreiben könnte (tatsächlich ein Liebeslied). Es integriert Elemente zeitgenössischer und experimenteller elektronischer Musik aus dem Bereich der Popmusik.
Das Konzept verbindet alle involvierten Elemente mit den Bewegungen und Gesten der Performerin. Das erlaubt der Sängerin, alle technischen und musikalischen Teile der Komposition in Echtzeit zu kontrollieren, triggern und zu formen. Das Stück 2011 wurde in  Zusammenarbeit mit Frauke Aulbert geschrieben, von ihr ur- und vielfach weiter aufgeführt.
Alexander Schubert, geboren 1979 in Bremen, studierte in Leipzig Informatik und Biologie, arbeitete er ein Jahr am ZKM Karlsruhe, studierte Multimediale Komposition in Hamburg und ist seitdem Doktorand im Themenfeld sensorgestützter elektroakustischer Performance, unterrichtet an der Musikhochschule Lübeck und ist als freischaffender Komponist tätig. Grundsätzlich beschäftigt er sich genreübergreifend mit der Schnittstelle akustischer und elektronischer Musik: Formal notierte Live-Elektronik, Entwurf von Software-Setups und sensorbasierte Erweiterung von Instrumenten. Ein anhaltender Schwerpunkt ist die Kombination von improvisierter und notierter Musik – sowohl auf struktureller wie auf ästhetischer Eben. Diverse Werke weisen multimediale und grafische Elemente auf -  zum Beispiel bei Stücken für Solisten und Live-Video und bei interaktiven Installationen.

„Hamburgs Avantgarde-Queen“ Frauke Aulbert gilt als eine der aktivsten und vielseitigsten Sängerinnen in der Neuen Musik. Nach einer klassischen Ausbildung in Hamburg liegt der Schwerpunkt ihrer Arbeit auf experimentellen Gesangstechniken, die weit über die traditionellen Möglichkeiten hinausweisen und musikalische und stimmtechnische Grenzbereiche überschreiten. Grundlage hierfür ist der außergewöhnliche Umfang und die hohe Flexibilität ihrer Stimme sowie ihre intensive Auseinandersetzung mit traditionellen und experimentellen Gesangstechniken wie Multiphonics, Ober- und Untertongesang, Gugak, Dhrupad oder Beatboxing etc. Konzertreisen führten Frauke Aulbert durch ganz Europa, nach Australien, Brasilien, Georgien, USA, Tunesien, Süd-Korea, u.a. zu Radio France, Casa Scelsi Rom, ZKM, Onassis Centre Athen, Warschauer Herbst, Deutsche Oper Berlin, Berghain Berlin. Sie erhielt u.a. den 1. Preis der Stockhausen Stiftung und Künstlerresidenzen an der Cité des Arts Paris, Goethe Institut Rom und an der Akademie Schloss Solitude. Sie studierte in Kiel, Santa Cruz de Tenerife und Hamburg, ihre Diplomarbeit schrieb sie zum Thema ‚Obertongesang in zeitgenössischer Musik’.
Alexander Hofmann studierte Musikinformatik an der Hochschule für Musik in Karlsruhe bei  Prof. Dr. Thomas Troge und Prof Dr. Denis Lorrain.  Während seines Studiums vertiefte er seine Fähigkeiten in den Bereichen Sounddesign, Praxis der zeitgenössischen Musik, Aufnahmetechnik und Klangregie. Während seines Studiums, rege Zusammenarbeit mit verschiedene Institutionen und Künstlern, wie beispielsweise dem ZKM in Karlsruhe, SWR, ARTE, der Filmakademie Ludwigsburg, dem Dortmunder U, Ensemble Decoder, Ensemble Artakt, Ensemble Interface.
Dabei sind zahlreiche erfolgreiche Produktionen bei namhaften Festivals entstanden. Zu nennen sind dazu die Darmstädter Ferienkurse, Wien Modern, Warschauer Herbst, Huddersfield, ZKM Next Generation und Imatronic. Seit der Spielzeit 2016/17 ist Alexander Hofmann als Tonmeister in dem Mehrspartentheater in Heidelberg angestellt.
Der Lichtdesigner Jörg Bittner studierte an der TFH Berlin Theater- und Veranstaltungstechnik. Von 2000-2008 war er technischer Leiter der Sophiensaele, wo er das Lichtdesign für zahlreiche Tanz-, Sprech- und Musiktheater, sowie für Performance-Stücke entwickelte. Über die Zusammenarbeit mit Novoflot kam er zum zeitgenössischen Musiktheater. Viele Jahre lang betreute er die Produktionen der Neuen Musik bei den Festivals Ultraschall und Märzmusik. Nach seinem Wechsel zum Radialsystem 2008 suchte Bittner nach neuen Formen im klassischen Konzertbetrieb. In dieser Zeit verantwortete er auch Lichtkonzepte für die Fernsehproduktionen „Dasch Salon“ im Radialsystem, „Johannes Passion“ und „H-Moll Messe“ in der St. Lorenz Kirche in Nürnberg. Die Betreuung der Gastspiele seiner Produktionen führte ihn an große „Häuser“ u.a. in ganz Europa, USA, Brasilien, Japan, und Südkorea.

Dienstag, 20. Juni 2017 | 20:30 Uhr | Mello | Rubbert | Szalonek
Matthias Badczong, Klarinette
Florian Juncker, Posaune
Sabrina Ma, Schlagzeug
Ulrike Brand, Violoncello
Martin Schneuing, Klavier


Chico Mello 60 | Witold Szalonek 90 | Rainer Rubbert 60
Rainer Rubbert
relations (1986/2008)
für Posaune und Schlagzeug

Rainer Rubbert wurde 1957 in Erlangen geboren und wuchs in Berlin auf. 1975-1981 studierte er Komposition an der Hochschule der Künste Berlin bei Prof. Witold Szalonek, der ihn in seiner Radikalität – den vermeintlichen Widerspruch zwischen avanciertem musikalischen Material, kompositorischer Konsequenz und ungehindertem Ausdruck aufzulösen – maßgeblich beeinflusste.
Er erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, u.a. 1979 den Prix Marcel Josse, 1986/87 das Cité des Arts-Stipendium Paris, 1989 den Kompositionspreis Budapest, 1992 den Kunstpreis Musik der Akademie der Künste, 2003 das Villa-Serpentara-Stipendium, 2007 den Carl-von-Ossietzky-Kompositionspreis und 2012 den Premio Città di Fossacesia.
Seit 1989 ist er einer der künstlerischen Leiter der Konzertreihe Unerhörte Musik. 2008 schrieb er die Kleist Oper nach dem Libretto von Tanja Langer. 2013 wurde er mit dem Deutschen Musikautorenpreis ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Berlin.

Chico Mello

Todo Santo (1989)
für einen Klarinettisten, Gesten und Tonband

Todo Santo bezieht sich auf das brasilianische Sprichwort „para baixo todo santo ajuda“ – abwärts hilft jeder Heilige. Das Stück ist für einen Klarinettisten, Mimik und Tonband konzipiert, die Partitur ist in grafischer Dreistimmigkeit geschrieben: Klarinette, Mimik (Augenbrauen, Arme, Schulter) und Tonband. Das Tonbandmaterial wurde in Nordostbrasilien aufgenommen. Kinder singen die „Ladainha do Padre Cícero“, die Litanei des Pater Cícero (1844-1934) vor seiner Statue. Für die Bevölkerung der Gegend (Juazeiro, Bundesland Ceará) war er ein Heiliger, der immer noch Wunder vollbringt. Todo Santo ist Dieter Schnebel zum 60.Geburtstag gewidmet.
Chico Mello, geboren 1957 in Curitiba, Brasilien, Medizin- und Musikstudien in Curitiba. Kompositionsstudium privat bei José Penalva (Curitiba) und H.J. Koellreutter (São Paulo) sowie an der Universität der Künste (Berlin) bei Dieter  Schnebel und Witold Szalonek. Promotion im Fach  Musikwissenschaft an der Technische Universität Dortmund bei Eva-Maria Houben. Wichtige Begegnungen mit lateinamerikanischen und europäischen Komponisten in den Cursos latinoamericanos de música contemporanea. Internationale und interkulturelle Arbeit im Bereich experimenteller, improvisierter Musik, sowie Musiktheater und brasilianischer Popularmusik. Aufführungen, u.a., bei den Donaueschinger Musiktagen, Musica Viva (München), Inventionen (Berlin), Festival Música Nova (São Paulo), Angelica (Bologna), Other Minds (São Francisco), Ultima (Oslo). Ko-kurator des Escuta Festivals (Rio de Janeiro), der  Oficina de Música (Curitiba) sowie der MärzMusik (Berlin).

Rainer Rubbert
dialogue (1988)
für Violoncello solo
*
Chico Mello
Nik Nih (1993)
für Posaune und Schlagzeug
Nih Nik ist für einen Posaunisten, einen Schlagzeuger und Live-Elektronik 1993 geschrieben. Es ist eine Art szenische Musik, in der die Instrumentalisten sich wie statische Figuren auf der Bühne bewegen: sehr langsam, mit minimalen auskomponierten Schritten, immer nach vorne oder nach hinten gehend. Der Titel stammt aus der Umkehrung des Wortes „Kin Hin“, welches eine Zen Buddhistische Meditationspraxis im Gehen benennt. Die Elektronik ist auch szenisch konzipiert: die Klänge der Instrumente und anderer Quellen werden im Raum so verteilt, dass ein rhythmisches Wechselspiel zwischen Realität und anderen Räumen – imaginären, visuellen und kulturellen – entstehen kann. Nih Nik ist ein Auftragswerk des Duos Metal Brass – Michael Svoboda und Andreas Böttger. Die Live-Elektronik wurde 2016 revidiert und für PD (Pure Data) von Gabriel Montechiari (Curitiba, Brasilien) umgeschrieben.

Chico Mello

Pião
(1988)
für einen Schlagzeuger
Pião ist 1988 für einen Schlagzeuger geschrieben. „Pião“ (Kreisel): Birnenförmiges Spielzeug mit einer Eisenspitze, das durch den Impuls einer um es gewickelten Schnur in drehende Bewegung gebracht wird. (Novo Dicionário da Língua Portuguesa, Aurélio Buarque de Hollanda, São Paulo 1986). Alemanisch: Tanzknöpfle Ein Schlagzeuger spielt in der Mitte eines Kreises von verschieden großen Fellinstrumenten (Trommeln). Während des Spiels dreht er sich im Uhrzeigersinn um sich selbst – immer schneller: beschleunigte Zeit – bis er schwindlig wird. Worum es in dem Stück außerdem geht: „Tomar o pião na unha“ (den Kreisel auf den Nagel nehmen): „sich mit einer schwierigen, chaotischen und verzweifelten Lage entschlossen und verantwortungsbewusst auseinandersetzen; den Stier an den Hörner packen“ .(Novo Dicionário) Pião wurde 1989 bei den Donaueschinger Musiktagen von Andreas Böttger uraufgeführt.

Rainer Rubbert
…cette obscure clarté qui tombe des étoiles (RWV 1088) (2005)
für Klavier
„…cette obscure clarté qui tombe des étoiles“ entstand 2005 für die polnische Pianistin Elzbieta Sternlicht. Der Titel bezieht sich  - einzig seiner sprachlichen Schönheit wegen – auf einen Vers aus Corneilles  “Le Cid“. Alle Tongruppen des Werkes resultieren in ihrer Anzahl einzig aus der Fibonacci-Reihe, die sich immer weiter dem Goldenen Schnitt annähern, der auch die Großform bestimmt. Über diesen und sich daraus speisend, entwickelt sich ein komplexes und mehrdimensionales Klanggeschehen, aus dem sich eine schlichte Melodie entwickelt und schließlich behauptet. Drei klirrend präparierte Töne sind Achse und Rückgrad des Stückes.

Witold Szalonek

Improvisations sonoristiques
(1968)
für Klarinette, Posaune, Violoncello und Klavier
Die einteilige Komposition für Klarinette, Posaune ,Violoncello und Klavier habe ich geschrieben im Januar 1968 auf Wunsch von Zygmunt Krauze für sein Ensemble Musikwerkstatt /Warsztat Muzyczny. Das Werk dauert cirka 10 Minuten. Die Uraufführung hat am 22. Februar desselben Jahres im Royal College of Art in London stattgefunden.
Witold Szalonek  war zweifelsohne einer der originellsten polnischen Komponisten  des 20. Jahrhunderts und erregte Aufsehen durch seine musiktheoretischen Arbeiten.
Mit seiner Auffassung von Komposition beeinflusste er fast 20 Jahre lang junge Komponisten an der Hochschule der Künste in Berlin.

Er ist am 1927 in Czechowice – Dziedzice geboren und 2001 in Berlin gestorben.In den Jahren 1949 – 56 studierte er Klavier in der Klasse von Wanda Chmielowska und Komposition bei Boleslaw Woytowicz an der Staatlichen Hochschule für Musik in Katowice. Das Ergänzungstudium beendete er bei Nadia Boulanger in den Jahren 1962 – 63 in Paris. Seit 1967 führte er die Kompositionsklasse in der Staatlichen Hochschule für Musik in Katowice, wo er 1970 – 74 den Lehrstuhl für Musiktheorie und Komposition leitete. Die Jahre 1970 – 71 verbrachte er in Berlin als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes(DAAD). 1973 wurde er zum Professor an die Hochschule der Künste in Berlin berufen, wo er die Klasse für Komposition nach Boris Blacher übernahm.
Seit 1970 leitete er Seminare und Kurse über seine eigenen Kompositiontechniken an Musikhochschulen und Universitäten, u.a. in Dänemark, Deutschland, Finnland, Polen und in der Slowakei. Seine Werke wurden bei vielen Festivals der Neuen Musik ausgeführt, u.a. in den Internationalen Ferienkursen der neuen Musik in Darmstadt, bei den Weltmusiktagen der Internationalen Gesellschaft der modernen Musik (ISCM), im „Warschauer Herbst“, in „Time of Music“ in Viitasaari, im „Gulbekian Music Festival“ in Lissabon, den „Inventionen“ in Berlin, den „Alternativen“ in Moskau und den „Kontrasten“ in Lwow.
Witold Szymanek war der Preiträger des II. Preises im Wettbewerb des Verbands der polnischen Komponisten für das Werk ‚Pastorale“ für Oboe und Klavier (1952), und des III.Preises im Artur Malawski Wettbewerb für das Werk „Quattro monologhi per oboe solo“ (1966) und des II. und III. Preises in demselben Wettbewerb im 1968 für die Werke „Mutazioni“ für Kammerorchester (1966) und „Proporzioni I“ für Flöte, Bratsche und Harfe (1967). Im Jahre 1964 erhielt er den Musikpreis der Stadt Katowice, und im Jahre 1967 den Preis des Ministers für Kultur und Kunst. Die Wilhelmina Universität in Münster erkannte ihm im 1990 den Titel „doctor honoris causa“ zu. 1994 wurde er der Preisträger des alljährlichen Preises des Verbands der Polnischen Komponisten. 1999 erhielt Witold Szalonek den „Kulturpreis Schlesiens“ in Oldenburg, der den mit Schlesien verbundenen Komponisten zuerkannt und von der Regierung Niedersachsens gestiftet wird.

Witold Szalonek gehört zu der Gruppe der Komponisten des XX. Jahrhunderts, die mit traditionellen Instrumenten auf der Suche nach neuen Klängen experimentieren. Die Inspiration zu solchen Forschungen war sein Kontakt mit der außereuropäischen Musik in den 60er Jahren.
Witold Szalonek ist der Entdecker der „kombinierten Klänge“- der Spaltklänge auf Holzblasinstrumenten.
 „Schon in Schulzeiten“ – erinnerte sich der Komponist – „hat die sonderbare Farbe der „zufälligen“ Töne meine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, welche zur Belustigung der Zuhörer von den ungeübten Adepten des Holzblasinstrumentenspiels produziert werden. Als ich „Concertino“ für Flöte und Kammerorchester 1960 komponierte, hatte ich die Absicht diese in der Konstruktion gewisser Tonflächen des zweiten Teils anzuwenden, weil ich aber ihre Natur noch nicht gründlich kannte, musste ich darauf verzichten.“

Szalonek verzichtete jedoch nicht auf die Erforschung der Natur dieser Töne und unternahm deren systematische Analyse und Katalogisierung für alle Holzblasinstrumente. Der Komponist beschrieb seine Forschungen in einem Artikel in der Zeitschrift „Res Facta“ 1973 und machte in seinen eigenen Werken von seinen Entdeckungen ausgiebigen Gebrauch.
Das Klangprimat über andere Elemente des Werkes und die formbildende Rolle der Klangfarbe sind in seinem ganzen Schaffen unbedingt.

Matthias Badczong (Klarinetten) erhielt in seiner Heimatstadt Oranienburg seine erste musikalische Ausbildung. Nach mehrfacher erfolgreicher Teilnahme am nationalen „Wettbewerb junger Talente“ studierte er von 1988–1993 im Hauptfach Klarinette bei Professor Joseph Oehl an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ Dresden und setzte im folgenden seine Ausbildung bei dem Soloklarinettisten der Staatskapelle Berlin Heiner Schindler fort, von dem er entscheidende künstlerische Impulse erhielt.
Seit 1993 ist Matthias Badczong freischaffend in Berlin tätig. Neben seiner Tätigkeit in verschiedenen Orchestern und Ensembles (Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Ensembles „work in progress“, „JungeMusik“, „unitedberlin“ u.a.) widmet er sich insbesondere der Kammermusik sowie der Interpretation zeitgenössischer Musik. Mit der Akkordeonistin Christine Paté realisiert er seit 1999 eine eigene Kammermusikreihe mit dem Titel  „klarinette- akkordeon plus“, zu der verschiedenste Gäste eingeladen und in enger Zusammenarbeit mit den Komponisten zahlreiche neue Werke uraufgeführt werden. 

Florian Juncker studierte Posaune an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin und der Norwegischen Musikhochschule in Oslo. Seinen ersten Posaunenunterricht hatte Florian bei Thomas Wiedermann an der Musikschule Neukölln erhalten. Durch ihn wurde Florian schon sehr früh auf die vielfältigen spieltechnischen Möglichkeiten der Posaune aufmerksam und dadurch auch sein Interesse an der Neuen Musik und dem Jazz geweckt. Bereits vor seinem Studium arbeitete Florian in zahlreichen Projekten eng mit dem Komponisten und Bandleiter Hannes Zerbe zusammen, u.a. für Theatermusiken sowie mit dessen Jazzorchester Prokopätz oder im Duo. Später konzertierte er u.a. mit dem Ensemble Modern, dem Ensemble Resonanz, dem Remix Ensemble und mit Prague Modern. Gemeinsam mit der Akkordeonistin Silke Lange spielt er im Duo Lange Juncker und ist Posaunist des Brandt Brauer Frick Ensembles. Seine internationale Konzerttätigkeit führte Florian zu den Festivals Prague Spring, Warschauer Herbst, Lucerne Festival, Eurosonic Festival und Ostrava Days.                                                                   
Die Cellistin Ulrike Brand konzertiert als Solistin auf internationalen Festivals für Neue Musik, wo sie zahlreiche Werke uraufgeführt hat, die in ihrem Auftrag enstanden und ihr gewidmet sind. Ihr besonderes Interesse gilt grenzüberschreitenden Projekten in den Bereichen Bildende Kunst, Tanz und Performance. Sie setzt sich intensiv mit freier und konzeptuelle Improvisation auseinander, wobei sie im Zwischenbereich von improvisierter und notierter Musik eigene Stücke entwickelt. 2015 erhielt sie zusammen mit dem Composer-Performer Tomomi Adachi und mit dem Gitarristen Olaf Rupp das Arbeits-und Recherchestipendium des Berliner Senats. 2016 war sie Stipendiatin des Kultusministeriums Brandenburg im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf.
Sabrina Ma ist eine leidenschaftliche Schlagzeugerin, die ihr Studium in den USA und in Deutschland absolvierte und seit 2007 in Berlin lebt. Die intensive Zusammenarbeit mit Komponisten unterschiedlichen Alters und Herkunft, die häufige Teilnahme als Solistin und Kammermusikerin an den verschiedensten Festivals und die rege Konzerttätigkeit auf internationalen Bühnen zeichnen Sabrina Ma als eine engagierte Musikerin aus und tragen zu einer vielseitigen und lebendigen Künstlerpersönlichkeit bei.
Martin Schneuing studierte Klavier und Percussion an den Hochschulen für Musik Hannover/Konservatorium Osnabrück und „Hanns Eisler“ Berlin, bei Peter Florian, Ullrich Schlie, Alan Marks und Gerald Fauth. Parallel dazu belegte er Musikwissenschaften an der FU Berlin und besuchte Meisterkurse u.a. bei Györgi und Marta Kurtág, Konrad Meister, Wolfram Rieger und Dietrich Fischer-Dieskau. Neben dem Studium und der beginnenden Tätigkeit als Pianist schrieb er zunächst Musiken für Theaterproduktionen, für die er das Autorenpseudonym Samuel Tramin verwendete, welches er seitdem auch für Konzertmusik beibehielt. Konzerte als Komponist, Klaviersolist, Liedbegleiter und musikalischer Leiter von Ensembleproduktionen vor allem zeitgenössischer Musik führten ihn über Deutschland hinaus ins gesamte europäische Ausland und über Engagements des Goethe–Instituts bis in den Nahen Osten. Er arbeitete für verschiedene Theater (Probebühne Osnabrück, Städtische Bühnen Osnabrück, Hebbel-Theater Berlin, Theater des Westens, Berlin, Deutsche Oper, Berlin, Staatsoper Berlin), für Rundfunk- und Fernsehsender sowie Kinofilme spielte er Aufnahmen ein, übernahm damit zusammenhängende darstellerische Aufgaben, und musizierte für CD–Produktionen. In der Gesangsabteilung der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ ist er Lehrbeauftragter für NEUE MUSIK, mit der Mezzosopranistin Uta Buchheister gab er u.a. einen mehrwöchigen Meisterkurs an der syrischen Musikhochschule Damaskus. Inzwischen bildet die Komposition zeitgenössischer Kammermusik seinen Arbeitsschwerpunkt. Er ist als Komponist, Interpret und Jurymitglied wiederholt Gast verschiedener Institutionen und Festivals NEUER MUSIK und schreibt häufig im Auftrag der renommierten Interpreten NEUER MUSIK der Berliner Konzertszene. Seine Werke erscheinen im Verlag Neue Musik, Berlin/Köln. Zusammen mit 10 Berliner gründete er 2009 „Atonale e.V.“ einen Zusammenschluss Berliner Komponisten. Für „Atonale e.v.“konzipierte und organisierte er bisher u.a. die Reihe „Zeitgenössische Lyrik/Zeitgenössische Musik“ in der sich Berliner Komponisten mit aktueller Lyrik auseinandersetzten (bisher sechs Konzerte) und, in Zusammenarbeit mit der Staatsoper Berlin, „Atonale in der Staatsoper I,II,III“ einen mehrstündigen Konzertabend NEUER MUSIK der Atonale-Mitglieder welcher im Januar 2017 zum dritten Mal stattfinden wird.

 
Starten Sie mit zwei inspirierenden Konzerten in den Sommer!

Herzlich grüßen Sie
Rainer Rubbert und Martin Daske


P.S.: Gern weisen wir auf die zwei feinen Sommerfestivals der Neuen Musik in den kommenden Wochen hin:
die XXV. Randfestspiele 2017
www.randspiele.de
und ORGANOVINO 2017
www.organovino.de





Die Unerhörte Musik wird gefördert aus Mitteln der Senatsverwaltung für Kultur und Europa
Alle Veranstaltungen finden im BKA-Theater, Mehringdamm 34, 10961 Berlin, statt. Telefon: 030 - 20 22 007
Eintritt: 13,- / 9,- €
Zehnerkarte: 80,- / 60,- € (übertragbar)


 
Sollten Sie diesen Newsletter in Zukunft nicht mehr erhalten wollen, schreiben Sie uns eine Mail mit dem Betreff "unsubscribe" an: unerhoerte.musik@web.de
  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen