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NEWSLETTER 2022 | Nr. 10 10. und 17. Mai
„We are ugly, but we have the music." (Leonard Cohen) |
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Liebe Interessierte, regelmäßiger Gast in unserer Reihe ist das 2014 gegründete Duo Stock-Wettin mit der Akkordeonistin Susanne Stock und dem Klarinettisten Georg Wettin. (un)known world - „…das atmende im verborgenen…“ heißt das aktuelle Programm, welches sie am kommenden Dienstag, 10. Mai spielen werden. So enigmatisch bereits der Titel, ist auch der kurze Text des Duos zum Programm: “Mit diesem Programm verfolgt das Duo Stock - Wettin verschiedene Ansätze zu unsichtbaren, aber existenziellen Grundlagen menschlichen Seins bis hin zu der Frage: „Was ist es, was die Welt im Innersten zusammenhält?“ (J. W. Goethe) Ergründet werden drei Ansätze: Wissenschaft. Philosophie. Zwischen – Menschliches.”
Der philosphische Ansatz erfährt seine Konkretion in Werken von Marta-Liisa Talvet, Annette Schlünz, Ernst Helmuth Flammer UA, Mark Andre und Michael Quell. … wie immer zusätzlich als Livestream um 20:10 Uhr (klicken Sie hier):https://youtu.be/W2-vnRcQxlI
Das britische Destactfold Ensemble mit Rocio Bolanos, Klarinetten Daniel Brew, E-Gitarre Linda Jankowska, Violine, verstärkte Objekte Alice Purton, Violoncello, Stimme hat in der Pandemiezeit eine Podcast-Reihe Conversations from Quarantine gestartet mit dem Ziel, Musiker und Publikum aus der ganzen Welt genau in dem Moment zusammenzubringen, in dem COVID-19 versucht, sie voneinander zu trennen. Darauf aufbauend wird das Ensemble am Dienstag, 17. Mai 2022 sein Programm The New Unusual performen: “… drei spannende neue Ensemblewerke von Hunjoo Jung, Sam Salem und Alexandra Hallén sowie vier Solowerke von Sivan Cohen Elias, Andrew Greenwald, Hanna Hartman und Lee Fraser aus ihrem 2020 erscheinenden Album “The New Unusual”, einer Serie von 11 kurzen Solowerken, die als Reaktion auf die Pandemie in Auftrag gegeben und zwischen Dezember 2020 und Januar 2021 in den Wohnungen der Distractfold-Künstler aufgeführt wurden.” … wie immer zusätzlich als Livestream um 20:10 Uhr (klicken Sie hier): https://youtu.be/OSCioZaLn2c
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Dienstag, 10. Mai 2022 | 20:00 Uhr
(un)known worlds
LIVE-STREAM: https://youtu.be/W2-vnRcQxlI |
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Duo Stock-Wettin
Susanne Stock, Akkordeon Georg Wettin, Klarinetten |
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(un)known world - „…das atmende im verborgenen…“
Marta-Liisa Talvet
Clouds or Ghosts? (2021) für Akkordeon, Klarinette in B und Tonband Das Stück beschäftigt sich mit der Wahrnehmung der Grenzen von Lebendigkeit und Mechanik. Das Musikinstrument kann wie menschliches Atmen klingen, wenn z.B. Luftgeräusche verwendet werden, obwohl sie mechanisch erzeugt werden - was darauf aufmerksam macht, dass auch die Atmung von Lebewesen von den Mechanismen des Körpers abhängig ist. Auch die langen elektronischen Drone- Klänge sind von innerer Bewegung, von Lebendigkeit erfüllt und verweisen auf die gleiche Frage: Wo beginnt Lebendigkeit? Der Titel bezieht sich auf eine Theorie des Philosophen Henry More aus dem 17. Jahrhundert, nach der Wolken mit einer bestimmten Form die Geister von Menschen auf halbem Weg zum Himmel sind — ein Gedanke, der heutzutage komisch erscheinen kann, während viele der gleichen Fragen über die Mysterien von Geist, Körper und Seele bestehen bleiben. Das Stück ist ein Auftragswerk vom Duo Stock - Wettin, die es in 2021 uraufführten.
Marta-Liisa Talvet (*1998) ist eine estnische Komponistin, die in Berlin lebt. Seit 2019 studiert sie Komposition an der UdK bei prof. Elena Mendoza und prof. Kirsten Reese. Sie arbeitet oft mit Elektronik und beschäftigt sich auch mit freier Improvisation. Vor ihrem Kompositionsstudium studierte sie Semiotik und Kulturtheorie an der Universität von Tartu, Estland. Annette Schlünz
Journal n° 6 (Kraniche) (2011) für Akkordeon solo
Mit Journal n°1 (2005) für Blockflöte und Videofilm begann eine sich tagebuchartig fortsetzende Reihe von Solostücken, sozusagen persönliche Aufzeichnungen, in denen „Augenblicke“ zu „Hörblicken“ werden. Die Auseinandersetzung mit einem einzigen Instrument, als vielleicht anspruchsvollste in der Komposition, wird durch die absolute Reduktion auf sich selbst zur nackten Konfrontation mit seinem eigenen Ich. Jeweils ein außermusikalisches Element spielt eine Rolle: in Journal n° 2 (Schneeland) kommt ein Text, in Journal n° 3 (fuite) Tanz und in der n°4 (mirages) für Harfe deren Präparationen hinzu. Die n° 5 (Warten) für Klavier arbeitet mit musikalischen Elementen wie barocken Trillern und Resonanzen des 3. Pedals, hier in der n° 6 wird das Geräusch der n°2 , die auch für Akkordeon ist, aufgegriffen, auf dem Instrument selbst und auch außerhalb, fortgesetzt mit Körper und Stimme. Damit sollen die von Susanne Stock gewünschten, mit persönlichem Namen verbundenen, Töne eine andere Klangqualität erreichen, Instrument und Körper in der Aktion verschmelzen. Das Stück ist Susanne Stock gewidmet.
Annette Schlünz, geboren 1964 in Dessau, lebt als freischaffende Komponistin in Süddeutschland und Frankreich. Von 1983 bis 1987 studierte sie an der Dresdner Musikhochschule Komposition bei Udo Zimmermann sowie bis 1991 an der Akademie der Künste Berlin bei Paul-Heinz Dittrich. Nach Lehrtätigkeit an der Universität Strasbourg unterrichtet sie seit 2018 Komposition am Conservatoire de Strasbourg, wo sie seit 2013 regelmäßig Workshops für junge Komponisten realisiert. Außerdem ist sie Dozentin in den Ferienkursen der Komponistenklasse Dresden. Schlünz ist Jurymitglied zahlreicher internationaler Kompositionswettbewerbe. Sie erhielt den Hanns-Eisler-Preis (1990), den Heidelberger Künstlerinnen-Preis (1998) sowie Stipendien unter anderem für die Deutsche Akademie Villa Massimo Rom (1999), die Akademie Schloss Solitude in Stuttgart (2000), das Elektronische Studio GRAME in Lyon (2005/2008), das Centro tedesco di studi veneziani 2014, den Künstlerhof Schreyahn (2006/2017). Seit 2015 leitet sie die Masterclass für junge Komponisten und Komponistinnen beim Impuls-Festival für Neue Musik Sachsen-Anhalt. Sie ist Mitglied der Akademie der Künste Dresden (seit 2010, seit 2015 Leitung der Klasse Musik), Hamburg (seit 2011) und Berlin (seit 2021) und war drei Jahre im Künstlerischen Beirat der HEAR in Strasbourg – Mulhouse tätig. Sie schrieb Kammer- und Orchestermusik, elektronische und szenische Musik, 5 Opern.
Ernst Helmuth Flammer
„... strin-G-enz ... kompression - extension... das atmende im verborgenen...“ (2021) für Akkordeon und Kontrabassklarinette UA Der Werktitel benennt das so komplexe wie existentielle Sujet des Duos für Akkordeon und Kontrabassklarinette in seiner ihm eigenen impliziten Vieldeutigkeit in einer Art und Weise, die alle konstituierenden Elemente dieser Thematik mit einschließt. Angesprochen sind die existentiellen Grundlagen menschlichen Seins. Weiter gefaßt angesprochen sind solche des naturhaften Seins, welches die Bedingungen menschlicher Existenz, sowie deren Bezüglichkeiten, jener des Kreatürlichen zum Naturhaften axiomatisch als dynamische, sich in steter Bewegung (Veränderung) befindliche, definieren. Alle diese Bezüglichkeiten beruhen auf einem multiplen Gleichgewicht, welches die (verborgenen) Regeln des Seinsprozesses setzt, was sich zugleich unter dem universalen Äquivalenzbegriff versammelt. Bedrohlich wird es - und das ist mehr denn je aktuell evident -, wenn der Mensch an jenen (meist nicht nur seinem Bewusstsein verborgenen) Grundlagen seiner Existenz rüttelt, wenn er den absoluten Rahmen von RaumZeit (Einstein) zu sprengen versucht. Davon handelt das Duo „...string-G-enz...kompression - extension...das atmende im verborgenen...“ und in diesem Geiste ist es komponiert. Die andere Bedeutung von „...strin-G-enz...“, stringent zu sein, benennt die unerbittliche Konsequenz dieser Prozesshaftigkeit.
Ein „String“ ist physikalisch - bildlich gesprochen als ein eindimensional schwingender Faden das kleinste mögliche Teilchen, welches alle konstituierenden Elemente von Materie und Sein in sich zu vereinen vermag. Dieses Teilchen schreitet im universalen Prozess des Seins, der „atmenden“ Kompression (Bild des „Schwarzen Lochs“) und - alternierend - Extension (Bild des „Urknalls“) unablässig voran. Die unendliche Kompression steuert auf das Ende von Geformtsein von Materie, weiter jenes von Raum und Zeit zu. Die Extension (sowohl evolutionär als auch disruptiv denkbar) generiert über das Werden von Raum und Zeit, sowie das Werden von weiteren Dimensionen des Seins Gestalthaftigkeit, tritt quasi als Vexierbild des Absoluten, des absolut Kreativen wie Kreatürlichen (Subjekt und Objekt) aus dem Verborgenen ins Wesende. Derartige Prozesse finden in der musikalischen Morphologie ihren Widerhall. Ausgehend von einem kleinsten Partikel von Materie, dem einfachen schon in der Zweiten Wiener Schule gebräuchlichen Viertonmodell „f - fis - e - ais“ (dreitönige intervallisch aufsteigende Sekundfortschreitung mit beigeschlossenem Tritonus), spannt das musikalische Material in allen denkbaren Varianten seiner ursprünglichen Gestalt ein mannigfaltiges Firmament auf. Die Kontrabassklarinette in ihrem fundamental vernehmbar schwingenden „Dunklen Klang“ steht für das Verborgene, jedoch unerklärlich Vernehmbare und damit Allpräsente, nicht zuletzt der „Dunklen Materie“. Ihr Klangfarbenreichtum, sich prozesshaft, manchmal auch eruptiv entfaltend, steht für deren Hervortreten in eine Raum-, wie Zeitgestalt. Das Akkordeon in seiner Klang - und atmosphärischen Schattierungsvielfalt ist hier ein kongenialer Partner. In verschiedenen Aggregatzuständen von Kompression (zuweilen proportional nach der Methode der prolatio minor) und Extension (prolatio maior als proportionale Variante), zugleich deren quasi expanderhafte Überdehnung, zugleich in sich fortdauernd variierend, präsentieren sich in verschiedenen Abschnitten des Stücks, über Refrains einerseits, aber auch reich variierende („bedrohliche“) Strudelgestalten, „in sich hineinstürzend“, durchbrochen. Durchbrochene Materie bricht homogene, invariante wie lineare Gewissheiten, die es so nicht geben kann. Die mir sehr entgegenkommende Anregung, dieses Sujet zu komponieren, kam von den vorzüglichen Musikern, der Akkordeonistin Susanne Stock und dem überaus vielseitigen Klarinettisten Georg Wettin, denen ich das Werk, im Dank für eine langjährige fruchtbare Zusammenarbeit in alter Freundschaft zueigenen möchte. Ernst Helmuth Flammer wurde 1949 in Heilbronn geboren. Nach einem Studium der Mathematik und Physik in den Jahren 1969-1972 wandte er sich zunächst der Musikwissenschaft mit den Nebenfächern Kunstgeschichte und Philosophie zu, wenig später schloß sich ein Musikstudium an. Von 1973-79 studierte er Kontrapunkt und Musiktheorie bei Peter Förtig und von 1972-1980 Musikwissenschaft bei Hans Heinrich Eggebrecht in Freiburg, wo er mit einer Dissertation zum Thema Politisch engagierte Musik als kompositorisches Problem, dargestellt am Beispiel von Luigi Nono und Hans Werner Henze promovierte. Seit 1976 studierte er zudem Komposition bei Klaus Huber und Brian Ferneyhough, zwischenzeitlich auch bei Paul-Heinz Dittrich. Seit 1977 publizierte er in mehreren Fachzeitschriften zu Themen der Neuen Musik und ästhetischen Fragestellungen. 1980-81 hatte er einen Lehrauftrag für Musiktheorie, Kontrapunkt und musikalische Formenlehre und -analyse an der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen, 1982 bis 1985 einen an der Universität Freiburg. Seit 1980 ist Flammer freischaffend tätig, seit 1985 übt er eine umfangreiche Lehrtätigkeit als Gastdozent u.a. an der University of Newcastle, in Dresden, Gera, Odessa, Paris, St. Petersburg, am Mozarteum Salzburg und regelmäßig bei den Darmstädter Ferienkursen aus. Hinzu kommen regelmäßige Gastvorträge und Rundfunksendungen. 1985-87 hatte er einen Beratervertrag mit der Stadt Mönchengladbach als künstlerischer Leiter des dortigen Festivals „Ensemblia“. 1985-90 betreute er das von ihm mit aufgebaute „ensemble recherche freiburg“, welches sich vorwiegend der Interpretation Neuer Musik widmet. 1993 begründete er das Internationale Pianoforum „…antasten…“ in Heilbronn, ein weltweit einmaliges Festival für zeitgenössische Klaviermusik, das bis 2003 im Zweijahreszyklus stattfand. Ernst Helmuth Flammer erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen aus Baden-Baden, Dresden, Freiburg, Hannover, Paris, Parma, Rom und Stuttgart. Er erhielt zahlreiche Kompositionsaufträge im In- und Ausland. Seine Werke wurden auf zahlreichen Festivals uraufgeführt und an allen inländischen und zahlreichen ausländischen Rundfunkanstalten produziert. 1994 erschien eine Portrait-CD bei WERGO, 2005 erschien die Weltersteinspielung des umfangreichen Orgelzyklus superverso mit Christoph Maria Moosmann auf dem Label ORGANUM CLASSICS. Seit 2003 ist Ernst Helmuth Flammer Lehrer für Komposition und Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden.
Mark Andre
iv 7 (2009) für Kontrabassklarinette solo
„iv 7 gehört zu einem Zyklus von Kammermusikstücken, die die Problematik der Introvertiertheit thematisieren. Drei Gruppen von Materialien liegen der Fragmentierung zugrunde: unharmonische, harmonische und geräuschhafte Klänge. So entstehen unerwartete innere Klangwelten durch verschiedene Klangräume und -familien, die den Bogen des Stückes aufbauen. Die I(ntro)v(vertiertheit) betrifft die kompositorische Darstellung von existentiellen und metaphysichen Darstellungen.“
Mark Andre, 1964 in Paris geboren, studierte am Conservatoire National Supérieur de Paris Komposition bei Claude Ballif und Gérard Grisey sowie bei Helmut Lachenmann an der Hochschule für Musik in Stuttgart. Er erhielt für seine Kompositionen zahlreiche Preise, u.a. den „Prix de Rome de composition“ beim Villa Medici Wettbewerb, den Preis des Kompositionswettbewerbs der Stadt Stuttgart, den Preis der Frankfurter Oper, den Kranichsteiner Musikpreis der Ferienkurse in Darmstadt, den Kompositionsförderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung, den Förderpreis der Berliner Akademie der Künste, den Christoph und Stefan Kaske Kompositionspreis, den Produktionspreis des Giga-Hertz-Preises für elektronische Musik, den Orchesterpreis des SWR Orchesters der Donaueschinger Musiktage sowie den Kompositionspreis der Gerhart und Renate Baum-Stiftung. Mark Andre wurde 2009 zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin berufen. Im selben Jahr wurde er zum Professor für Komposition an die Hochschule für Musik Dresden berufen. 2012 wurde Mark Andre zum Ordentlichen Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste München ernannt. 2012/13 war er Fellow im Wissenschaftskolleg zu Berlin. Zu Mark Andres Auftraggebern zählen Ensemble Modern, ensemble recherche, Trio Accanto, Klangforum Wien, KNM Berlin, les Percussions de Strasbourg, Ensemble Alternance, EIC u.a. Mark Andre lebt in Berlin. Michael Quell
Energeia aphanés II (2018) für Akkordeon und Kontrabassklarinette
Energeia aphanés ist als ein größerer Werkzyklus aus mehreren voneinander völlig unabhängigen Werken unterschiedlichster Besetzung konzipiert, die sich auf jeweils sehr verschiedene Art und Weise mit Aspekten des rätselhaften Phänomens Dunkler Energie auseinandersetzen bzw. diese zum Ausgangspunkt der jeweiligen Komposition machen. Dunkle Energie dient in der Astrophysik als hypothetischer Erklärungsversuch der beobachteten zunehmenden Ausbreitungsgeschwindigkeit des Universums, die ansonsten in deutlichem Widerspruch zu den gravitativen Effekten durch die Materie steht. Dabei konnte ihre Existenz bisher nicht nachgewiesen werden, sie selbst entzieht sich also jeglicher Beobachtung, bestimmt jedoch ebenso wie dunkle Materie ganz wesentlich die raumzeitliche Struktur des Universums. In der Komposition wird diese Vorstellung gleichsam zum Sinnbild einer musikalisch ästhetischen Welt, deren eigentliche Steuerungsprinzipien konsequent im Verborgenen bleiben, deren Resultate jedoch die Erfahrungswelt bestimmen. Raum, Zeit und die Vorstellung von Zeit-Auflösung, wenn man so will von der Ahnung einer Art Metazeitlichkeit spielen dabei eine zentrale Rolle.
Während energeia aphanés I für Flöte, Klarinette, Violoncello und Schlagzeug als zentrales Merkmal u.a. einen subtil gestalteten Prozess einer formal-strukturellen Auflösung und damit einhergehend eine Art komponierte Zeitauflösung thematisiert, geht energeia aphanés II für Kontrabassklarinette und Akkordeon einen völlig anderen Weg. Hier wird ein Horizont maximaler Weite durchschritten, wobei die Komposition jedoch immer wieder völlig unerwartete Wendungen nimmt, gleichsam in zunächst abenteuerlich anmutende, bisweilen völlig verwinkelte Strukturen mündend, die sich dann aber aus der Perspektive des Nachhinein als eine ganz und gar neue, unerwartete Geometrie des Ereignisraums erweisen. So z.B. der Werkbeginn, der sich zunächst als ein komplexes Interaktionsgeflecht subtil differenzierter Geräuschklänge gestaltet, die nach und nach immer höhere Anteile konkreter Tonhöhe hindurchscheinen lassen, um dann aber sogleich im Moment maximaler Tonpräsenz unmittelbar umzukippen in eine scheinbar völlig neue Textur extremer Tonhöhe ... ... ständiges Aufblitzen (scheinbar) immer neuer Systeme ... quasi auf die Spitze getriebene Diversizität ... und dennoch zugleich maximale Beziehungsdichte im Hintergrund ... Dabei macht sich das Werk die charakteristischen Eigenheiten dieser, sehr speziellen Instrumentenkombination konstruktiv kompositorisch zunutze. Energeia aphanés II ist ein Auftragswerk des Duo Stock – Wettin und diesem gewidmet. Michael Quell, geb. 1960, studierte 1981-85 klassische Gitarre, Musikpädagogik und Musikwissenschaft an der Musikhochschule Frankfurt sowie Philosophie und Theologie an der J. W. Goethe-Universität. Zugleich studierte er Komposition bei Hans-Ulrich Engelmann und von 1985-89 in der Meisterklasse bei Rolf Riehm. Er lehrt seit 2008 als Dozent für Musiktheorie, Analyse und Ästhetik am musikwissenschaftlichen Institut der J. W. Goethe-Universität Frankfurt. Quell erhielt zahlreiche Kompositionsaufträge, seine Werke wurden mehrfach international mit Kompositionspreisen ausgezeichnet und werden regelmäßig auf Festivals aufgeführt wie z.B. Festival de musique Montreux/Vevey, Gaudeamus Musikwoche Amsterdam, Darmstädter Ferienkurse, Los Angeles Chamber Music America Festival etc. sowie in renommierten Konzertreihen z.B. in Berlin, London, Montréal, Chengdu, La Plata etc. Einen der Arbeitsschwerpunkte Michael Quells stellt die Beschäftigung mit den Chancen und Möglichkeiten der Komposition im interdisziplinären Dialog dar. Veröffentlichungen im TONOS-Musikverlag, Baden Baden sowie bei Edition Gravis, Berlin. CD-Aufnahmen (NEOS: drei Portrait-CDs, Bayer, Dabringhaus etc.) sowie musikwissenschaftliche Publikationen im Lit- und Wolke Verlag. |
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Das Duo Stock – Wettin gründete sich 2014 aus dem in Dresden ansässigen „Ensemble Courage“ heraus und besteht aus der Akkordeonistin Susanne Stock und dem Klarinettisten Georg Wettin. Beide Mitglieder dieses Ensembles für Zeitgenössische Musik beschäftigen sich intensiv mit Neuer und Neuester Musik und sind sehr erfahrene und versierte Instrumentalist:innen auf diesem Gebiet. Beide blicken auf eine Reihe von Uraufführungen zurück, die die intensive Zusammenarbeit mit hochrangigen Komponist:innen wie beispielsweise Helmut Lachenmann, Mark Andre, Annette Schlünz, Helmut Oehring, Benjamin Schweitzer, Sarah Nemtsov, Samir Odeh-Tamimi, Michael Quell, Oliver Schneller, Sidney Corbett und vielen anderen dokumentiert. Neben rein musikalischen Werken beziehen sie in ihre Arbeit immer wieder außermusikalische Themen ein und arbeiten mit Elektronik und Lichtperformances. Georg Wettin (Klarinetten) wurde 1980 in Dresden geboren. Nachdem er sein Abitur an der Dresdner Spezialschule für Musik absolvierte, begann er 2000 mit dem Studium im Fach Klarinette an der HfM “Carl Maria von Weber”, wo er 2009, mit den Abschlüssen Diplom(2005), Konzertexamen(2007) und Meisterklasse(2009) bei Prof.J.Oehl, Prof.J.Klemm, Wolfram Große und Fabian Dirr, dieses mit Auszeichnung beendet. In dieser Zeit konnte er einige Preise und diverse Stipendien (u.a. Lionsclubwettbewerb, Landesstipendium Sachsen, Stipendium der Stadt Dresden) erlangen und sammelte Orchestererfahrung als Substitut der Dresdner Philharmonie und später als regelmäßige Aushilfe bei verschiedenen Orchestern. Erfolgreiche solistische Auftritte mit Orchestern und umjubelte Konzerte zusammen mit der Sängerin Edita Gruberova und der Flötistin Carin Levine runden das Bild ab. Seit Beendigung seines Studiums ist er als freischaffender Musiker, vor allem im Bereich der zeitgenössischen Musik und Kammermusik, bei den meisten großen Festivals in Deutschland und Europa unterwegs und immer wieder bei allen deutschen Rundfunkanstalten zu hören. Als Mitglied von „courage - Dresdner Ensemble für zeitgenössische Musik“ spielte Georg Wettin in den letzten Jahren einige CDs ein und brachte eigens für ihn komponierte Werke für Klarinette solo zur Uraufführung. Susanne Stock, geboren 1980 in Dessau, erhielt ihre Ausbildung am Musikgymnasium "Schloss Belvedere" in Weimar bei Prof. Claudia Buder, an der Hochschule für Musik „Franz Liszt" Weimar bei Prof. Ivan Koval und an der HfK Bremen bei Prof. Margit Kern. Als Akkordeonistin ist sie solistisch und kammermusikalisch tätig. Sie ist Mitglied des in Dresden beheimateten „Ensemble Courage“. In intensiver Zusammenarbeit mit Komponisten wie Helmut Oehring, Annette Schlünz, Benjamin Schweitzer, Samir Odeh-Tamimi oder Michael Quell entstanden sowohl solistische als auch kammermusikalische Werke, die von ihr uraufgeführt wurden. Seit 2014 beschäftigt sie sich mit der Musik am Bauhaus, vor allem mit dem musikalischen Schaffen Lyonel Feiningers. Im Sommer 2017 erschien eine CD mit 5 seiner Fugen, adaptiert für Akkordeon und Baßklarinette. Mit der Schauspielerin Elisabeth Richter-Kubbutat arbeitet Susanne Stock seit 2005 regelmäßig zusammen in der Reihe „Literatur und Konzert“. In letzter Zeit interessiert sie sich verstärkt auch für andere Genre, vor allem für frei improvisierte Musik und Performances.
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Dienstag, 17. Mai 2022 | 20:00 Uhr
The New Unusual LIVE-STREAM: https://youtu.be/OSCioZaLn2c |
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Distractfold Ensemble Rocio Bolanos, Klarinetten Daniel Brew, E-Gitarre Linda Jankowska, Violine, verstärkte Objekte Alice Purton, Violoncello, Stimme |
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The New Unusual Sivan Cohen Elias
multicounterspeachless (2020) for bass clarinet and live electronics
multicounterspeechless ähnelt den vielstimmigen Fragmenten von Information, Fehlinformation und Desinformation, wie sie im Gehirn verarbeitet werden. Festgehalten an einem physischen Ort und umgeben vom Lärm dieser aufeinander reagierenden Stimmen, versucht das Gehirn in einer Welt, die gleichzeitig schmilzt und gefriert, ein genaues Bild von Ursprung und Bedeutung zu erhalten. Sivan Cohen Elias ist Komponistin, interdisziplinäre Künstlerin und Performerin, die verschiedene Kunstformen zusammenführt. Ihre Arbeit umfasst Installationen, Klangskulpturen, präparierte Instrumente, Choreographie, Video, Text, Kostüme, Improvisation und Performance. In ihrer Arbeit wirken Performance, Spiel, Aufgabe und Absurdität gleichzeitig in hybriden Systemen und Körpern, die menschliche, tierische und maschinelle Verhaltensweisen vereinen und sich ständig verändernde Phänomene erforschen. Andrew Greenwald
A Thing Made Whole VI (2020) for bifurcated solo electric guitar
Das Stück behandelt die Gitarre als ein stereophones Instrument. Drei gleichzeitige und unabhängige musikalische Linien warden so organisiert, dass der Hörer jede einzelne Linie an einem festen Ort im Stereofeld hört. Dies wird erreicht durch die Verwendung der Tonhöhen auf beiden Seiten der angeschlagenen Saite. Im Laufe des Stücks verschmelzen diese disparaten Linien allmählich zu einer einzigen, einheitlichen Linie. Hierfür wird das musikalische Material in eine zentralere Position im Stereofeld gepresst.
Andrew Greenwald (geboren in Queens, N.Y.) ist ein amerikanischer Komponist, dessen Werk Fragen der Logik in musikalischer Form untersucht. Er absolvierte ein Aufbaustudium in Komposition/experimenteller Musik an der Wesleyan University unter der Leitung von Alvin Lucier und war David R. Coelho Graduate Fellow an der Stanford University, wo er unter der Anleitung von David R. Coelho, Jonathan Berger und Brian Ferneyhough in Komposition promovierte. Hanna Hartman
BUG (2020) for amplified objects Hanna Hartmans BUG erzählt auf spielerische Weise ein Gespräch zwischen einem Käfer und einem Menschen durch unser fundamentales, aber wenig genutztes Erkenntniswerkzeug - den Tastsinn. Durch das Bewegen von Unterlegscheiben und Kunststoffbildern über zwei gewellte Kunststoffplatten stellt Hartman eine weitere Kommunikationsmöglichkeit vor, die uns zur Verfügung stehen könnte, wenn wir anders zuhören würden. Die schwedische Klangkünstlerin und Komponistin Hanna Hartman hat ihre ganz eigene Sprache entwickelt und kreiert Kompositionen, die ausschließlich auf field recordings, die sie auf der ganzen Welt aufgenommen hat, basieren. Klänge werden aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen und in ihrer Reinheit wahrgenommen. Hanna Hartman versucht, verborgene Korrespondenzen zwischen den unterschiedlichsten Höreindrücken aufzudecken und in neuen Konstellationen erschafft sie außergewöhnliche Klangwelten. Lee Fraser
Scii Tenaph III (2020) for tape Scii Tenaph III ist ein kurzes Werk für fixed media, das mit Hilfe einer speziell entwickelten Software synthetische Analogien von Phänomenen der realen Welt durch einen Modellierungsprozess, dessen Darstellungsmodi das Konkrete, das Unheimliche und das Grenzwertige durchqueren. Die Arbeit bewegt sich zwischen realen akustischen Räumen und obskuren spektral-räumlichen Grenzen; dasStück nutzt Wahrnehmungslücken, um seine materiellen Assoziationen in delirierend amorphe Zonen zu verflüssigen. Lee Fraser is a British sound artist and composer. He has a PhD in electroacoustic composition from the University of Manchester. Prior to this, he studied with Frank Denyer at Dartington College of Arts and Denis Smalley at City University London. His work dramatises notions of interiority, liminality and the Outside and is characterised by its ongoing concern with synthetic sound and complex auditory experiences. Sam Salem
THIS IS FINE (2020) for cello, voice, and fixed audiovisual media In der Dämmerung des britischen Empire verglüht ein formelles Dinner zu Asche, während die Cellistin Alice Purton mit ihrem KI-Schatten verschmilzt. Mach weiter, lerne Maschine & feuere! Keine Sorge! ES IST GUT. Sam Salems compositional process begins with a set of locations, a line on a map connected by a particular theme, history, or set of constraints. Capturing moments, surprises, and ultimately, like prominent London-based psychogeographer Iain Sinclair, Salem offer a reading of his chosen locations, a divination made through an “act of ambulatory sign- making”. He excavates his locations, from which the layers of myth and history uncovered form his building blocks. Alexandra Hallén
4 musicians with heart beat sensors and VR headsets (2021)
Mit diesem Stück möchte ich mit der Realität in der Musik experimentieren und erkunden, wie verschiedene Anweisungen unsere Sinne beeinflussen können. Swedish born and Danish based Alexandra Hallén is a multi-faceted artist, composer and performer who explores the boundaries of herself and the audience. By using objects, she brings reality into the art, and thus provoke forth genuine emotions and bodily reactions: e.g. to bathe in ice to feel real cold, and cut into onions to bring out real tears. The performer in Halléns pieces is no longer a mediator of the composer’s emotions: she has to live her own real emotions and bodily sensations in order to perform the work. Hunjoo Jung Hunjoo Jung is a Berlin based, South Korean composer. In recent years, besides focusing on acoustic music, Jung has also been exploring multi- complex structural ways in which interactive visual, live video and video mapping, lighting & laser, sensor, actions and/or sculptural forms of objects can be used in a wide range of combination with acoustic, electroacoustic and electronic music in spatialisation. Hunjoo Jung
Talk_To/abouT/wiTh_My… (2021) for clarinet, e.guitar, violin, object percussion, cello and electronics
Dieses Stück ist von der psychoanalytischen Theorie Sigmund Freuds inspiriert. Jeder der vier Spieler auf der Bühne agiert als ein typischer Charakter: "Es, Ich, Über-Ich und ein weiteres Ich, das nach einem Trauma geboren wird". Es ist Teil einer “Dramatherapie”, die als ein Verfahren zur Traumaheilung gilt. Mit diesem Ansatz können die Darsteller/Zuhörer ihre eigene Klangumgebung schaffen, Ziele setzen, Probleme lösen, Gefühle ausdrücken oder entspannen. Das Stück eröffnet einen psychologischen Dialog, der den Zuhörer in einen Grenzbereich zwischen innerer und äußerer Handlung, innerer Emotion und äußerem Engagement, zwischen Persönlichem und Gesellschaftlichem einlädt. Der Komponist ist der Ansicht, dass dieser Prozess der psychologischen Interaktion eine musikalische Umsetzung von Bildern mentaler Zustände mit ihren eigenen emotionalen Konflikten und Ambivalenzen ermöglicht. In konzeptioneller Hinsicht wird es einen erheblichen Kontrast zwischen den einzelnen Bereichen der Psyche geben, die miteinander verwoben sind, miteinander konkurrieren und sich überschneiden, um einen Zustand der Verwirrung zu schaffen und die widersprüchlichen Aspekte unserer Denkweise darzustellen. Hunjoo Jung is a Berlin based, South Korean composer. In recent years, besides focusing on acoustic music, Jung has also been exploring multi- complex structural ways in which interactive visual, live video and video mapping, lighting & laser, sensor, actions and/or sculptural forms of objects can be used in a wide range of combination with acoustic, electroacoustic and electronic music in spatialisation. |
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UK-based ensemble, Distractfold, are a group of performers, composers and curators all acting out of shared love, passion and interest in the music and culture of our times. Coming from different continents, backgrounds and having received a diverse education, together they create a nexus of ideas and influences which all contribute towards the ensemble’s unique voice and identity. They perform acoustic, mixed and electroacoustic music of their peers, alongside music of the more established composers with whom they have formed close collaborations and friendships. In 2014 Distractfold became the first ever UK ensemble to be awarded the Kranichstein Prize for Interpretation at the 47th International Summer Course for New Music in Darmstadt. Distractfold has been able to invite numerous composers to join them in Manchester for performances at the International Anthony Burgess Foundation - such as Steven Kazuo Takasugi, Hanna Hartman, Weston Olencki, Marek Poliks, Sabrina Schroeder and Lori Freedman to name a few - and have given UK and world premieres of works from composers such as Pierluigi Billone, Santiago Díez Fischer, Michelle Lou and Andrew Greenwald. Distractfold has also hosted guest performances from artists such as the Mivos Quartet, the Noise Upstairs, Wet Ink Ensemble and Lê Quan Ninh. Alongside their work in Manchester, Distractfold perform regularly in festivals and concert series at home and abroad.
Last season saw appearances at Bludenzer Tage Zeitgemäßer Musik in Austria where we presented two concerts including the world premiere of an evening-length piece by Sam Salem commissioned by the festival; Musica In Prossimità in Pinerolo, Italy; Global Adapter in Berlin and the New Music Manchester Festival in Manchester, UK. |
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