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Manuela Villiger 
im_Puls (2018)für zwei Sopransaxophone, Herzfrequenz-Sensoren und 8 Glühbirnen
 
 
Zwei
 Individuen, verkörpert mithilfe realer physischer Parameter, werden in 
„im_Puls“ verschiedenen Naturkräften ausgeliefert. Die physikalische 
Gesetzmässigkeit der Impulsübertragung und -erhaltung spielt eine 
entscheidende Rolle und lässt die zwei Lebewesen die archaischen Kräfte 
des Universums spüren. Dabei werden intime Geräusche der Performerinnen 
kalten und übermächtigen Klängen gegenübergestellt, welche symbolisch 
für die allgegenwärtige Energie der Natur stehen. Puls, Atmung, und 
Stimme der Performerinnen bilden das Fundament des Werkes und 
ermöglichen, dass die Ausführenden nicht nur als Saxophonistinnen 
agieren, sondern vielmehr auch als reale Menschen auf der Bühne stehen. 
Diese Wesen werden nun mit verschiedenen Impulsen konfrontiert und 
reagieren nach den logischen Gesetzen der Physik darauf. 
 
Dieter Schnebel  
Poem für einen Springer (1988-89) 
 
Mit
 den Werken aus dem Zyklus „Zeichensprache“ lotet Dieter Schnebel die 
Grenzen des Begriffs Musik aus - stark abstrahierte Bewegungen und ein 
bis auf das Minimum reduziertes Klangmaterial limitieren die 
gestalterischen Möglichkeiten dieser Performance-Stücke. Die Szenen der 
Sammlung „Zeichensprache“ sind thematisch gestaltet und bestehen aus 
sichtbaren Aktionen und akustischen Elementen als Kontrapunkt. 
Dieter Schnebel verfolgte nach dem Studium an der Hochschule für Musik Freiburg Studien der evangelischen Theologie, der Philosophie und der Musikwissenschaft an der Universität Tübingen. Schnebel war unter anderem Professor für Experimentelle Musik und Musikwissenschaft an der Hochschule der Künste Berlin.
 Schnebel experimentierte in den 1950er Jahren in seinen ersten 
Kompositionen zunächst mit seriellen Techniken und entdeckte dann, nicht
 zuletzt unter dem Einfluss von John Cage experimentelle Möglichkeiten für das Komponieren mit Stimme, Text und Szene. 
 
Maximilian Marcoll 
If music be the food of love [Interlock 1] (2014) für zwei Sopransaxophone und Elektronik
 
 
In
 den Gefängnissen von Guantánamo Bay und Abu Ghraib wandten die 
US-Streitkräfte unter Anderem Musik als Foltermittel an. Die Auswahl der
 verwendeten Songs, die als "Torture Playlist" oder "GTMO-Playlist" 
bezeichnet wird, besteht nach Kenntnis der Öffentlichkeit aus Pop-, 
Rock- und Metal-Songs, die in der westlichen Welt bekannt und sehr 
beliebt sind. Wie von einigen Quellen berichtet, wurde durch die 
gleichzeitige Wiedergabe von zwei Songs das Ziel verfolgt, die Songtexte
 unverständlich zu machen, obwohl wohl sowieso die Mehrheit der 
Gefangenen der englischen Sprache nicht mächtig waren. 
Wurden
 die Gefangenen den Songs in immenser Lautstärke ausgesetzt, wurde ihnen
 jegliche Möglichkeit geraubt, die Lieder nunmehr als Popsongs zu hören 
und wahrzunehmen - für sie bedeuten sie nur noch Schmerz, Leid und die 
Unfähigkeit, ihre eigenen Gedanken zu verfolgen. Die folternden Soldaten
 selbst veränderten ihre eigene Beziehung zu den Liedern ebenfalls auf 
drastische Weise; natürlich wurden sie nicht in ähnlicher Weise wie ihre
 Opfer mit den Songs beschallt, sie sind jedoch auch direkt in das 
Verfahren eingebunden. Sie hatten sich bewusst dafür entschieden, etwas,
 das ihnen gefällt und mit dem sie sich auf kultureller Ebene 
identifizieren, als Waffe gegen ihre Gefangenen einzusetzen. Die Songs 
wurden also in diesem Kontext mit zwei gegensätzlichen 
Wahrnehmungsweisen behaftet, welche unter keinen Umständen gleichzeitig 
zugänglich sind; im Gegenteil, sie schliessen sich gegenseitig aus. Die 
Songs als Musik und die Songs als Waffe - diese beiden Konnotationen 
sind immer in inverser Relation zu einander anwesend und abwesend 
zugleich.  
Folgende Auswahl aus der GTMO-Playlist dient als einziges musikalische Material für „If music be the food of love“: 
Bee Gees “Stayin’ Alive” 
Neil Diamond “America” 
Barney & Friends “I Love You” 
Drowning Pool “Bodies” 
Bruce Springsteen “Born in the USA” 
Britney Spears “Baby one more Time” 
Christina Aguilera “Dirrty” 
Eminem “White America” 
AC/DC “Hells Bells” 
Queen “We are the Champions” 
Metallica “Enter Sandman” 
AC/DC “Shoot to Thrill” 
Deicide “Fuck Your God” 
Dope “Take Your Best Shot” 
Nine Inch Nails “March of the Pigs” 
Beide
 Performerinnen sind mit zwei Mikrofonen, einem Lautsprecher und 
Kopfhörer ausgestattet, über welchen sie unterschiedliche Songs der 
GTMO-Playlist hören und Ausschnitte im Rhythmus der jeweiligen Liedtexte
 dazu mitspielen. Jede einzelne gespielte Note bewirkt, dass der 
aktuelle Song der anderen Spielerin für den Zuschauer über deren 
Lautsprecher hörbar ist. Beide laufenden Songs sind gleichzeitig in 
beiden Saxophon- und Lautsprecher-Kombinationen vorhanden, sowohl als 
Rhythmus, der den anderen Song durchschimmern lässt, als auch als 
„Träger“, der vom Rhythmus des anderen Songs moduliert wird. Beide sind 
gleichzeitig anwesend und abwesend; denn unsere Wahrnehmung erlaubt es 
uns nicht, beide Schichten gleichzeitig aktiv zu hören, der Fokus muss 
ständig zwischen den beiden Songs wechseln. 
Maximilian Marcoll
 aus Lübeck ist Komponist, Sound Artist und Performer. Er hat in 
Lübeck und Essen Perkussion sowie instrumentale und elektronische 
Komposition studiert. In seiner Arbeit konzentriert er sich mehrheitlich
 auf das politische Potenzial von Musik und Klang. Heute lebt er in 
Berlin und ist Mitglied der Künstlergruppe stock11, zudem unterrichtet 
er in Berlin und Bremen. 
 
Georgy Dorokhev   
Counter Exposition I (2012)für zwei CDs und Bogen
 
Die
 Grundprinzipien des russischen Komponisten manifestieren sich in der 
einzigartigen Kombination von unglaublicher Radikalität in der 
Musiksprache mit barocken oder klassischen Form-Strukturen (z.B. Sonate,
 Rondo, Konzert). Dorokhov’s Musik ist unverkennbar durch die zwischen 
Lärm und Stille entstehende Spannung, welche ambivalent für die Paarung 
perfekter Selbstironie mit verletzlicher Aufrichtigkeit steht.
 
Georgy Dorokhov
 wurde im sibirischen Tomsk geboren und studierte am P. Tchaikovsky 
Konservatorium in Moskau. Unter anderem war er Stipendiat bei der 
Fondation Royaumont und besuchte Kurse bei Brian Ferneyhough, Isabel 
Mundry und Marc Andre. Werke von ihm wurden an zeitgenössischen 
Festivals in ganz Europa, Australien und Südamerika aufgeführt. 
 
Joseph Michaels       
Assembly Line (2014)für zwei Sopransaxophone und Tape
 
 
Dem
 Gedanken an ein Fliessband angelehnt, schrieb Joseph Michaels sein Werk
 „Assembly Line“ für zwei Sopransaxophone und Tape. Ähnlich dem 
automatisierten Arbeitsprozess in einer Fabrik wird in regelmässigen 
Abständen eine neue Komponente dem Stück zugefügt – nach und nach 
entsteht eine komplexe Form und akustisch wie auch rhythmisch ein 
vielfältiges Klangereignis. 
Joseph Michaels,
 geboren 1977 in Ohio, USA ist Komponist, Performer, Multimedia-Künstler
 und Kurator. Seit 2008 in Stuttgart ansässig, spielt das 
Experimentieren in seinem Schaffen eine kontinuierliche Rolle, welches 
sich im Laufe der Zeit auf diverse künstlerische Disziplinen und 
verschiedene Formen der außermusikalischen Kommunikation wie Video, 
Sprachproben und Theater ausgedehnt hat, während sich seine harmonische 
Sprache von der Atonalität zur Mikrotonalität entwickelt hat. Michaels 
ist Mitglied des «Stuttgarter Kollektiv für aktuelle Musik». 
 
Matthew Shlomowitz
 Letter piece Nr. 5 (2008)
 für zwei Performer
 
Als
 Teil einer ganzen Reihe kurzer Performance-Stücke beschäftigt sich der 
amerikanische Komponist in den Letter Pieces mit der Kombination von 
physischen Aktionen und Klang. Während Matthew Shlomowitz lediglich die 
Form des Stückes bestimmt, liegt es an den Performern, den Inhalt und 
die Aktionen zu bestimmen – so können verschiedene Aufführungen 
desselben Stückes kaum miteinander verglichen werden.
 
Matthew Shlomowitz
 wuchs in Adelaide (Australien) auf und lebt derzeit in London. Er 
unterrichtet an der University of Southampton leitet unter anderem 
zusammen mit Joanna Bailie das Ensemble Plus Minus. 
 
Simon Steen-Andersen 
Difficulties Putting It Into Practice (2007)für zwei Performer
 
 
Der
 erfolgreiche und mehrfach ausgezeichnete dänische Komponist Simon 
Steen-Andersen verfolgt in seinem Schaffen das Ziel visuelle Musik zu 
schreiben. Die Musik soll also ein Kunstwerk sein, in welchem die Form 
und der Inhalt zusammen verschmelzen und sowohl die physikalischen wie 
auch die physischen Gesten sich musikalisch als performativen Akt 
bedingen. Im Werk „Difficulties Putting It Into Practice“ verarbeitet er
 die zwei Wörter „communicate“ und „perceive“ und deren Bedeutung, indem
 er den beiden Performern unterschiedliche Hilfsmittel zuweist und die 
Dynamik zeitweise mithilfe grotesker Verstärkung ins Ungleichgewicht 
bringt. 
To convey information about; make known; impart: communicated her views to the office.To reveal clearly; manifest: her disapproval communicated itself in her frown.
 To become aware of, know, or identify by the means of the senses:
 I perceived an object looming through the mist.
 To recognize, discern, envision, or understand: I perceive a note of sarcasm in your voice.
 This is a very nice idea but I perceive difficulties putting it into practice.
 
Simon Steen-Andersen,
 geboren 1976, ist ein in Berlin lebender Komponist und 
Installationskünstler, dessen Arbeit sich zwischen instrumentaler Musik,
 Elektronik, Video und Performance, symphonischer und Kammermusik (mit 
und ohne Multimedia), Soloauftritten und Installationen bewegt. Simon 
Steen-Andersen studierte Komposition bei Karl Aage Rasmussen, Mathias 
Spahlinger, Gabriel Valverde und Bent Sorensen in Aarhus, Freiburg, 
Buenos Aires und Kopenhagen von 1998 bis 2006. Seit 2008 ist Simon 
Steen-Andersen Kompositionsdozent an der Staatlichen Hochschule für 
Musik Aarhus. Seit 2016 ist er Mitglied der Akademie der Künste. | 
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