Stille Stücke, Schatten der Zeit
Georg Katzer
Stille Stücke (1987)
für Akkordeon, Gitarre und Violine
Die
sieben meist kurzen Stücke bilden einen Zyklus vorwiegend verhaltener
Kammermusik in unüblicher und deshalb für den Komponisten reizvoller
Besetzung. Der Klang ist oft spröde, splitternd, öffnet sich aber bis
zur romantischen Klanggeste, freilich auch in sarkastischer Brechung und
so immer auf der Flucht vor der übermächtigen Nostalgie. Angeregt wurde
die Komposition such den Akkordeonisten Ivan Koval, Weimar.
Georg Katzer,
(*1935), studierte Komposition (Rudolf Wagner-Regeny und Ruth Zechlin)
in Berlin (Ost) und in Prag. Danach Meisterschüler von Hanns Eisler.
Seit 1963 lebt K. als freischaffender Komponist in und bei Berlin. Neben
seiner kompositorischen Arbeit (Kammermusik, Orchesterwerke,
Solokonzerte, drei Opern, zwei Ballette) beschäftigt sich K. auch mit
Computermusik, Multimedia-Projekten und Improvisation.
Preise und Auszeichnungen bekam K. in der DDR, Frankreich, Schweiz, USA, BRD.
Tobias Schick
Quilt (2017)
für Akkordeon und E-Gitarre
„Quilt“,
zu Deutsch etwa Steppdecke oder „Flickenteppich“, enthält (nahezu)
keine Gesten, Melodien oder klassisch-virtuosen Texturen, sondern
fokussiert in radikaler Weise kontinuierliche Einzelklänge, die in
möglichst umfassender Weise variiert werden: die Tonmengen etwa reichen
von einzelnen Tönen über Intervalle und Akkorde bis hin zu vielstimmigen
Clustern, die Tonnähe erstreckt sich von Unisono-Klängen bis hin zu
Streuungen über alle Register. Durch die unterschiedliche
Variationsbreite der jeweiligen Formabschnitte, die von äußerst
einheitlich bis höchst abwechslungsreich reicht, schwankt das Stück
zwischen sehr gleichförmigen Passagen, die die Konzentration auf
minimale Klangunterschiede zu ermöglichen vermögen und extrem
heterogenen, unvorhersehbaren Fortgängen, bei denen sich oftmals von
Klang zu Klang alle Eigenschaften in ihr Gegenteil verkehren. Quilt ist
der Versuch, durch Reduktion auf einen einzigen Zustand und dessen
gleichzeitige Vertiefung eine Form von künstlerischer Radikalität zu
erreichen, die nicht auf äußeren Extremen, sondern auf innerer Strenge
und Kargheit beruht.
Tobias Eduard Schick
(*1985) studierte Komposition in Dresden und Rom, u.a. bei Mark Andre,
Ernst Helmuth Flammer und Manos Tsangaris, elektronische Musik u.a. bei
Franz Martin Olbrisch sowie Kontrabass und Klavier. Seine Kompositionen
wurden vielfach in Deutschland, im europäischen Ausland, in Kanada sowie
in Japan aufgeführt und mehrfach von Deutschlandradio Kultur und WDR 3
gesendet. Im Jahr 2017 wurde er mit einer musikwissenschaftlichen Arbeit
über Weltbezüge in der Musik Mathias Spahlingers promoviert
(Veröffentlichung in den BzAfMw). Er erhielt zahlreiche Preise und
Stipendien, zuletzt den Kompositionspreis des Plural Ensemble, Madrid
sowie ein Arbeitsstipendium der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen.
Schick ist Alumnus der Studienstiftung des deutschen Volkes und des
Cusanuswerks. Texte über die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts sowie
über ästhetische Fragestellungen werden regelmäßig in Publikationsreihen
und Zeitschriften wie Musik-Konzepte, Musik & Ästhetik, Archiv für Musikwissenschaft oder MusikTexte veröffentlicht.
Schick arbeitet als freischaffender Komponist und unterrichtet im
Lehrauftrag Musikwissenschaft und Analyse an der Hochschule für Musik
Carl Maria von Weber Dresden.
Sidney Corbett
Icarus (2017)
für Akkordeon und Violine
"Icarus"
ist ein Werk der Arbeitsserie „Himmelskörper (Heavenly Bodies)“ in der
ich mich mit einigen Zeichnungen des Künstlers Malte Spohr befasse. Die
Werke dieser Serie bestehen aus Linien und Harmonien, die ich aus den
Zeichnungen Spohrs hergeleitet habe. Den Titel der Serie habe ich so
gewählt, weil ich diese Zeichnungen von Malte Spohr, natürlich ganz
subjektiv, so lese.
Im Falle "Icarus" dachte ich dabei an das Spannungsfeld zwischen
Widerstand der Materie auf der einen Seite und Traum, Versenkung und dem
nahe liegenden Gebiet der Hallunzination auf der anderen. Diese Serie
ist dem wundervollen Künstler Malte Spohr gewidmet.
Sidney Corbett,
1960 in Chicago geboren, studierte Musik und Philosophie, u.a. an der
Yale University, und war 1985 bis 1988 in der Kompositionsklasse György
Ligetis in Hamburg. Seit 2006 ist Corbett Professor für Komposition an
der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Mannheim. Corbett ist
ein Künstler der abseits des Mainstreams der Neuen Musik seine
eigenständige und nicht weniger explizit zeitgenössische Position
vertritt. Seine Musik hat sich inzwischen fest in der internationalen
Musikwelt etabliert und wird weltweit von führenden Orchestern,
Ensembles und Solisten aufgeführt. Ein besonderer Schwerpunkt seiner
jüngeren Arbeit liegt im Bereich des Musiktheaters. Inzwischen liegen
sieben Opern vor, die jüngste, „San Paolo“ nach einem unrealisierten
Drehbuchfragment von Pier Paolo Pasolini wurde 2018 am Theater Osnabrück
uraufgeführt und mit dem Pfalzpreis für Musik 2018 ausgezeichnet. Zu
seinen aktuellen Projekten gehört ein Kammerorchesterwerk, "aporia",
entstanden im Auftrag der San Francisco Contemporary Chamber Players,
das im Mai 2019 uraufgeführt wird. Im Jahr 2017 ist beim Label Edition
Kopernikus eine CD mit seiner Klaviermusik erschienen, “Postscript”,
eingespielt von Florian Heinisch. Veröffentlichungen seiner Musik liegen
außerdem u.a bei den Labels Sony Classic, Kreuzberg Records, Cybele
Records, Mode Records, CRI, Edition Zeitklang, Blue Griffin und BIS
Records.
Corbetts Musik wird von Edition C.F. Peters verlegt und weltweit vertrieben.
Iván González Escuder
Trío, full of sound and fury (2018)
für Akkordeon, Gitarre und Violine
Life's
but a walking shadow, a poor player that struts and frets his hour upon
the stage and then is heard no more: it is a tale told by an idiot,
full of sound and fury, signifying nothing.
Leben
ist nur ein wandelnd Schattenbild; ein armer Komödiant, der spreizt und
knirscht sein Stündchen auf der Bühn', und dann nicht mehr vernommen
wird: ein Märchen ist's, erzählt von einem Idioten, voller Klang und
Wut, das nichts bedeutet.
Nach diesem aus Shakespeares Macbeth entnommenen Soliloquium schuf William Faulkner in seinem Roman The Sound and the Fury eine
ganz neue Syntax: mit der Technik des inneren Monologs (oder
Bewusstseinsstrom) wird die Welt durch die Augen von Benjy, einem
33-Jahre alten geistig behinderteren Mann wahrgenommen („a tale told by
an idiot“). So entsteht eine ganz bruchstückhafte Syntax ohne
Kausalzusammenhang, die auf der Wahrnehmung von Objekten und Menschen
basiert und mehr beschreibt und empfindet als kommentiert oder erklärt;
eine Syntax ohne Chronologie, in der, da Benjy fähig ist,
Zeitbeziehungen zu finden, für die „gesunde“ Menschen blind sind,
Erinnerung und unmittelbare Wahrnehmung (Vergangenheit und Gegenwart)
nicht unterschieden werden können, was ständige Zeitsprünge provoziert.
Dieses Trio „full of sound and fury“ entstand als Anregung von Olivia
Steimel, Josef Mücksch und Diego Ramos Rodríguez, bei denen ich mich
herzlich bedanke, und als Hommage an William Faulkner und William
Shakespeare.
Iván González Escuder,
geboren 1979 in Valencia (Spanien), studierte Klavier bei Uta Weyand in
Castellón und Komposition bei Ramón Ramos Villanueva in seiner
Geburtsstadt. In dieser Zeit in Spanien erhielt er den 2. Preis des
Kompositionswettbewerbs Amics del Liceu 2008 (Barcelona). Nachdem Iván González Escuder zwei Jahre als Dozent im Conservatorio de Música de Jávea (Alicante)
tätig war, zieht er in Deutschland ein, wo er von 2009 bis 2011 einen
Master-Komposition bei Caspar Johannes Walter an der Musikhochschule Stuttgart studierte. Für das Studienjahr 2010-2011 ist er Stipendiat von Alexander von Humboldt- Stiftung und auch in Deutschland erhielt er 2010 den 1. Preis (Preis der Philharmonie Essen) des Deutschen Musikwettbewerbs - Deutscher Musikrat.
2012 siedelte er in Basel über, um einen Master of Arts in Spezialisierter Musikalischer Performance an der Musikakademie Basel bei Prof. Georg Friedrich Haas und Prof. Erik Oña zu studieren. 2012 erhielt er den 1. Preis des Wettbewerbs Jóvenes Compositores Fundación Autor – CNDM (Madrid) und 2016 den 3. Preis der 17. Weimarer Frühjahrstage (Weimar). Derzeit wohnt Iván González Escuder in Basel als freischaffender Musiker.
Edoardo Micheli
sic transit gloria mundi (2019)
für Akkordeon, Violine, Gitarre, Audio-Zuspielung und Video UA
(Video von Robert Seegler)
“sic transit gloria mundi” is based on the famous Muammar Gaddafi’s speech given at the 64th General Assembly of the United Nations the 23rd September 2009.
I
was interested both in the content of the speech and in the sound of
the spoken words, and in relationship between these two elements. I
worked trying to expand and complicate this relationship and, as
consequence, expand, elaborate and complicate the possibilities of
meaning contained in the original text and in the broader context of our
perception of historical facts.
Edoardo Micheli,
born in 1984 in a small village in the Italian Alps, nearby Lake Garda,
studied Composition and Philosophy in Venice and is active both as
composer (instrumental music for various line-ups, sound installations),
and as performer (sound performances). Focus of his works is to stress a
conflict, to point out a painful distance or to make an irreparable
loss perceivable. He lives and works in Berlin.
Sojeong Ahn
Chasing the tail (2018/19)
für Akkordeon, Gitarre und Violine UA
Wie
aus dem Titel dieses Werks hervorgeht, entlehnte ich die Idee aus
einer uralten symbolischen Form "Ouroboros", meistens dargestellt durch
eine Schlange, die sich mit dem Mund (dem Anfang des Körpers) für immer
in ihrem Schwanz (das Ende des Körpers) festgebissen hat. Während dieses
Symbol in der Antike vor allem einen vollkommenen Zustand in sich
ruhender Einheit darstellt, war für mich nicht dieser statische Zustand,
in dem das Ende im Mund verschluckt wurde, sondern
die kreisende Energie der Verfolgung der Punkt der Idee.
Ich
versuchte das durch verschiedene musikalische Ideen darzustellen,
z.B. durch die vibrierende Spannung, die entsteht, wenn die
Phrasen-Enden der Instrumente am Schluss von einem andern übernommen
und fortgeführt werden. Durch variiende, zum Teil auch viele kleine
Repetitionen entsteht ein dynamischer Zustand der Periodizität, der
Fließfähigkeit, der Veränderlichkeit oder der Entwicklung von
der Kreisform zu einer Art Spiralform.
AHN, So Jeong, geboren
in Seoul, Korea studierte Komposition an der Seoul National University
bei Sukhi Kang und anschliessend in Berlin bei Witold Szalonek an der
Hochschule der Künste sowie Musikwissenschaft an der TU Berlin. Seit
einer Einladung als Gastkomponistin ins Elektronischen Studio der
Musikhochschule Basel bei Thomas Kessler und Hanspeter Kyburz
beschäftigt sie sich ebenso mit elektronischer wie mit instrumentaler
Komposition. Ihre Kompositionen wurden bei verschiedenen Festivals in
Asien, Europa und Nordamerika gespielt. Kompositionspreise erhielt sie
beim Martirano Kompositionswettbewerb in Illinois und Tsang Houei Hsu
Composition Award, ausserdem war Finalist für die Weimarer
Frühjahrstagen für zeitgenössische Musik. Seit 2015 lebt sie als
freischaffende Komponistin in Berlin.
Ehsan Khatibi
Stitching III - Nist hast o gah (2018)
für Akkordeon, E-Gitarre, Violine und Zuspielung
Seit
einigen Jahren experimentiere ich immer wieder, wenn ich mit dem Zug
fahre, mit der Panoramafunktion meiner Smartphone-Kamera, indem ich vom
Zugfenster draußen fotografiere. Hierbei nutze ich nicht die Bewegung
der Kamera selbst, die für die Panoramafunktion nötig
ist, sondern die Bewegung des Zuges bzw. der vorbeilaufenden
Landschaften. Die resultierenden Bilder sind hierdurch äußerst außergewöhnlich
und jedes Mal neu und einzigartig: willkürlich abgeschnittene
Bildausschnitte fügen sich mit realistisch abgebildeten Versatzstücken
zusammen, verschmelzen mit abdriftenden, mehrfach multiplizierten
Bildausschnitten, kopieren und zerfließen sich über- und ineinander und
verdichten sich in unterschiedlicher Art und Weise zu spektakulären und
teils abstrahierenden imaginären Vexierbildern, die betrügen,
enttäuschen und jedoch mehrdeutig interpretierbar sind. Eine optische
Verwandlung der realen Welt, die uns unsere Wahrnehmung und
Wiedererkennung hinterfragen lässt.
Die Idee, dieses visuelle Erlebnis ins
klangliche umzusetzen, hat mir wesentliche Anregungen gegeben, eine
Reihe von Kompositionen für verschiedene Besetzungen zu schreiben und
das Verfahren, welches in der Fotokunst und Digitalfotografie als
„Stitching“ (englisch: nähen, heften) bezeichnet wird, in meiner
kompositorischen Arbeit zu reflektieren.
Zur musikalischen Umsetzung dieser zwischen
Wirklichkeit und Imagination oszillierenden Darstellungswelten arbeite
ich gerne mit speziellen Klangmaterialien, die zwischen den konkreten
Instrumentalklängen und der Entmächtigung musikalischer
Ausdruckstradition entstehen. Eine Klangsprache, die allerdings oft die
eindeutige Identifizierung von Ursache und Wirkung von Klangquelle und
Klangresultat zu verhindern tendiert.
Ehsan Khatibi,
geboren 1979 in Teheran, erhielt seine erste musikalische Ausbildung
(Theorie und Komposition) beim iranischen Komponisten und Dirigenten
Alireza Mashayekhi in Teheran, wo er außerdem Klavier, Geige und Santur
(ein persisches Instrument) erlernt hat.
Nach dem Studium im Fach Komposition an der "Teheraner Universität der
Künste" begann er 2008 ein Bachelorstudium in Komposition bei Prof.
Manfred Trojahn sowie in Musiktheorie bei Prof. Frank Zabel an der
"Robert Schumann Hochschule Düsseldorf" und schloss beide Studiengänge
2013/2014 erfolgreich ab. 2017 absolvierte er ein Masterstudium in
Komposition bei Prof. Elena Mendoza an der Universität der Künste
Berlin.
Er ist Begründer und ehemaliger Dirigent des "Iranian Percussion
Ensemble for New Music", welches im Jahr 2006 den ersten Preis beim
"Wettbewerb für neue Musik" an der "Teheraner Universität" gewonnen hat.
Als Komponist ist er Stipendiat der "RSH/DAAD" 2012/2013 sowie
"INMM-Darmstadt" 2013/2014. 2012 wurde Ehsan Khatibis Komposition
„Tensus“ für Bläserquintett beim New Note – International Composer Competition Croacia mit dem Dritten Preis ausgezeichnet.
Er erarbeitete seine Stücke mit zahlreichen renommierten Ensemble und
Orchester, wie Ensemble Laboratorium, Ensemble Ascolta, Unitedberlin,
Ma’alot-Bläserquintett, Studio Musikfabrik, Symphonieorchester der
Universität der Künste Berlin u. v. a. Ehsan Khatibi lebt zurzeit in
Berlin und unterrichtet als Lehrbeauftragter an der Robert Schumann
Hochschule Düsseldorf Musiktheorie
|
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen